Wege der familienorientierten Hörsystemversorgung in der Praxis
Lässt sich das Konzept der familienorientierten Hörsystemversorgung im Hörakustik-Fachgeschäft umsetzen? Wenn ja, wie?
In meiner Bachelorarbeit bin ich genau dieser Frage nachgegangen, da im deutschen Markt dieses Thema noch weitgehend unerforscht ist. Seit einigen Jahren etabliert sich dieser Versorgungsansatz jedoch international zunehmend im Bereich der Gesundheitsbranche. Gründe für die Implementierung der familienorientierten Hörsystemversorgung (fHV), auch genannt Family-Centered Care (FCC), gibt es viele. Denn bei richtiger Anwendung können während der Hörsystemanpassung alle Parteien profitieren: Vom Kunden über die Familie bis hin zum Hörakustiker. Ausgehend von der Literaturanalyse, einem Experteninterview und den Studienergebnissen aus meiner Bachelorarbeit habe ich ein Modellkonzept zur Implementierung dieses Ansatzes in einem Hörakustik-Fachgeschäft erstellt:
Vorbereitung
Zunächst soll ein Workshop durchführt werden, um die generelle Orientierung der fHV zu fördern:
1. Entscheidungsfindung zur Durchführung der fHV im Unternehmen.
2. Meinung der Mitarbeiter mit einbeziehen.
3. Maßnahmen und Ziele setzen, wie die fHV eingeführt werden kann und welche Schritte dazu erforderlich sind.
4. Wahl eines internen fHV-Hauptverantwortlichen.
5. Key Performance Indicator (KPIs) definieren, um überprüfen zu können, wie erfolgreich die jeweiligen Schritte waren.
Training
1. Schulung und Aufklärung des gesamten Unternehmens über die Vorteile der Anwendung der fHV durch den fHV-Hauptverantwortlichen oder einen externen Berater. Diese Maßnahme erhöht und verstärkt das Bewusstsein für den Ansatz der fHV.
2. Rollenspiele zur praktischen Übung und Unterstützung durch Mentoring und Coaching des fHV-Beauftragten stärkt die Sicherheit im Umgang mit der fHV.
3. FHV-freundliche Einrichtung des Anpassraums, sowie Beachtung der Sitzposition um eine integrative Umgebung zu schaffen.
Durchführung
1. FHV als Bestandteil der Mitarbeiterversammlungen etablieren, um die fHV weiter in den Vordergrund zu rücken und auftretende Erfolge und Schwierigkeiten laufend zu kontrollieren.
2. Termine in vereinbarter Weise nach dem Ansatz der fHV durchführen, z.B.:
a) Während des Beratungstermins die Familie aktiv mit einbeziehen. Dadurch erhalten alle Beteiligten die Möglichkeit, ihre Ansichten und Gedanken gleichermaßen mit einzubringen.
b) Die Hörsituation von allen Beteiligten beschreiben lassen. Dies hilft dabei, ein Verständnis für die Bedürfnisse aller Beteiligten zu erhalten.
c) Im Gespräch herausfinden, was erreicht werden soll und die gemeinsamen Hör- und Kommunikationsziele festlegen.
d) Entscheidungen mit allen beteiligten Parteien (AkustikerInnen, Kunden und Familie) treffen.
e) Offene Fragen stellen, um eine vertraute Verbindung zwischen allen Beteiligten zu schaffen.
f) Vermehrt den Fokus auf die Anamnese des Kunden und der Familienmitglieder legen, als auf das Audiogramm und die technischen Daten der Hörsysteme.
g) Durch einen Hörverlustsimulator die Familienmitglieder für die Hörminderung der Betroffenen sensibilisieren.
Überprüfung
1. Durchführung laut Vereinbarung dokumentieren und überprüfen.
2. Überprüfung der Ergebnisse (KPIs) vor und nach der Einführung der fHV.
3. Erste Erfolgskontrolle 3 bis 4 Monate nach Einführung der fHV.
4. Bei positiven Ergebnissen: Implementierung in allen Fachgeschäften durchführen.
5. Bei unzureichenden Ergebnissen: Ursachenforschung betreiben und bestehende Prozesse dementsprechend anpassen und neu trainieren.
Schlussfolgerung
Um den fHV-Ansatz auf dem deutschen Markt zu implementieren, müsste dafür intensiv geschult und sich innerhalb der Fachgeschäfte nachhaltig damit befasst werden. Dieses Modellkonzept enthält die wichtigsten Punkte, die bei einer Einführung im Fachgeschäft beachtet werden müssen und kann als Richtlinie für die Umsetzung dienen.
Wenn Sie mehr über den familienorientierten Ansatz als Bestandteil des „Well-Hearing is Well-Being“-Konzepts erfahren wollen, klicken Sie bitte hier.