Was sagen Daten über die Nutzung von Hörgeräten bei Erwachsenen mit leichtgradigem Hörverlust aus?

Eine Studie legt nahe, dass Hörakustiker Kunden mit leichtgradigem Hörverlust gleich beim ersten Besuch Hörgeräte empfehlen sollten.

Es gibt einige Hinweise dafür, dass Hörakustiker zögern, Personen mit leichtgradigem Hörverlust mit einem Hörgerät zu versorgen. So zeigte zum Beispiel die große MarkeTrak VIII Studie aus den USA, dass 43% der Testpersonen mit einem leichtgradigen Hörverlust nicht gleich beim ersten Besuch eines Akustik-Fachgeschäfts ein Hörgerät empfohlen wurde (Kochkin, 2012).

Diese Zurückhaltung kann viele Gründe haben. Personen mit einem leichtgradigen Hörverlust haben oft nicht das Gefühl, ein Hörgerät oder eine ähnliche Hörhilfe zu benötigen, auch wenn sie schon einmal einen Hörakustiker aufgesucht haben. Und Hörakustiker scheuen sich häufig davor, ein Hörgerät zu empfehlen, weil sie das Gefühl haben, dass dieses bei einer leichten Hörminderung nichts bringt.

Wir haben kürzlich in einer Studie untersucht, ob Hörgeräteträger mit einem leichtgradigen Hörverlust ihre Hörgeräte weniger oder anders nutzen als Hörgeräteträger, die einen mittelgradigen Hörverlust haben. Dazu haben wir aus einer internationalen Datenbank mit 16.766 Einträgen aus 159 Akustiker-Fachgeschäften in 4 Ländern insgesamt 8.489 Fälle von bilateralen Anpassungen extrahiert, die Daten zu Hörverlust und Hörgerätenutzung enthielten. Die Daten zur Hörgerätenutzung stammten direkt aus dem Data Logging und stellten damit ein objektives Maß für die Nutzung dar.

Die so extrahierten Fälle wurden anschließend abhängig von dem vorliegenden Hörverlust in die Gruppen 500, 1000, 2000 und 4000 Hz eingeteilt, wobei die Definition der Hörverlustgrade nach der British Society of Audiology (BSA) sowie der American Speech-Language-Hearing Association (ASHA) verwendet wurden. Beide Organisationen definieren einen Hörverlust zwischen 25 und 40 dB HL als leichtgradigen Hörverlust. Der Definition der BSA nach ist ein Hörverlust zwischen 41 und 70 dB HL ein mittelgradiger Hörverlust, während für die ASHA ein mittelgradiger Hörverlust bei zwischen 41 und 55 dB HL und ein starker Hörverlust bei 56 bis 70 dB HL liegt.

Insgesamt zeigte sich, dass die Hörgeräte von Personen mit leichtem oder mittelgradigem Hörverlust im Schnitt 8,5 Stunden pro Tag und von Personen mit starkem Hörverlust im Schnitt 9,0 Stunden pro Tag genutzt wurden. Es gab einige Unterschiede in Bezug auf die Nutzung des linken Hörgeräts (keinen in Bezug auf das rechte), die jedoch geringfügig und daher klinisch nicht relevant waren.

Die unterschiedlichen Gruppen wiesen insgesamt ein ähnliches Nutzungsmuster auf: Bei allen Hörverlusten lag die durchschnittliche Nutzungszeit pro Tag bei zwischen 8 und 12 Stunden. Auch in Bezug auf die Nutzung der Hörgeräte in verschiedenen Hörsituationen (ruhige vs. geräuschvolle Umgebung) gab es keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Gruppen.

Diese Studie hat im Wesentlichen gezeigt, dass Hörgeräteträger mit leichtgradigem Hörverlust ihre Hörgeräte im gleichen Maße nutzen wie Hörgeräteträger mit mittelgradigem Hörverlust. Es besteht demnach kein Anlass für Hörakustiker, einem Kunden mit leichtgradigem Hörverlust nicht gleich beim ersten Besuch ein Hörgerät zu empfehlen.

Für weitere Informationen zu dieser Studie geben Sie in die Artikelsuchfunktion des Journal of the American Academy of Audiology ein: Timmer BHB, Hickson L, Launer S. (2016) Hearing aid use and mild hearing impairment: Learnings from big data. J Am Acad Audiol.

Reference: Referenz: Kochkin S. 2012. MarkeTrak VIII: The key influencing factors in hearing aid purchase intent. Hear. Rev., 19, 12-25.

Gefällt Ihnen der Artikel?

Autor

Weiterführende Artikel

Helfen kabellose Mikrofone Kindern beim Spracherwerb?

Auch wenn sie Hörgeräte benutzen, haben Kinder mit Hörverlust einen eingeschränkten Zugang zur Sprache. Kabellose Mikrofonsysteme wie Roger können die Sprachexposition bei Kindern verbessern. Aber können sie auch die Sprachleistung von Kindern positiv beeinflussen?

Liebe auf den ersten Klang?

Wir leben in einer Zeit, in der wir Marketing-Claims nicht mehr einfach so für bare Münze nehmen – stattdessen möchten wir uns lieber unser ganz eigenes Bild von neuen Produkten machen.