Hey Big Data: Macht das Technologielevel eigentlich einen Unterschied?

Manchmal sind die einfachen Fragen am schwierigsten zu beantworten.

Ich vermute, dass die meisten Hörakustiker mir zustimmen würden, dass die Auswahl der für einen Kunden am besten geeigneten Technologie nicht immer offensichtlich ist. Die Anpassung des Technologielevels an die Hörbedürfnisse eines Kunden erfordert eine gewisse Vorstellung zu seinem Lebensstil sowie ein Verständnis dafür, wie unterschiedliche Technologielevel in seiner individuellen Hörumgebung funktionieren.

Diese Frage wird mit der kontinuierlichen technologischen Innovation noch komplexer. Es wird für Hörakustiker zunehmend schwierig, auf dem neuesten Stand zu bleiben, wenn Hersteller ständig neue Versionen von Technologielevels einführen, die verschiedene Funktionen beinhalten.

Mich erinnert das an ein Erlebnis, welches ich am Anfang meiner Karriere in einer Klinik hatte. Ich weiß noch, dass ich eine Hörgeräteanpassung für eine Frau gemacht habe, die in einem Wohnheim lebte. Ich wollte unbedingt sichergehen, dass wir ihren Lebensstil und die erwarteten Vorteile verschiedener Technologielevel besprechen. Sie beschrieb einen sehr einfachen Lebensstil – aufgrund von Mobilitätsproblemen verbrachte sie ihre Tage damit, in ihrem Zimmer fernzusehen und ging nur zum Essen in den Speisesaal. Zusammen waren wir uns einig, dass ein Hinter-dem-Ohr-Gerät mit mittlerem Technologielevel für ihre Hörbedürfnisse ausreichen würde. Aus meiner Sicht stellte ich die richtigen Fragen, um sicherzustellen, dass wir die richtigen Hörgeräte auswählen.

Nun, beim nächsten Termin zwei Wochen später war sie mit der Leistung ihrer Hörgeräte unzufrieden. Sie berichtete, dass sich ihr Gehör insgesamt verbessert hat, sie aber immer noch Schwierigkeiten habe, ihre Freunde im Speisesaal zu verstehen. Da sie eine soziale Person war, beeinträchtigte das ihre Lebensqualität deutlich.

Als ich weiter nachhakte, erwähnte sie, dass der Speisesaal immer sehr eng besetzt war und die 8 Personen an ihrem Tisch sehr gesprächig waren. Sie beschwerte sich, dass sie nicht immer hören konnte, was ihre Freunde auf der anderen Seite des Tisches sagten. Die Hörgeräte, mit denen ich sie zuerst ausgestattet hatte, waren mit einem „Komfort im Störgeräusch“ ausgestattet, aber das war eindeutig nicht genug. Ich entschloss mich, bei ihr Hörgeräte mit einem höheren Technologielevel zu testen, die über eine speziell entwickelte Funktion verfügten, die das Sprachverstehen bei Lärm verbesserte.

Vor ihrem Kontrollbesuch war ich recht nervös, da ich befürchtete, sie könnte wieder enttäuscht sein. Zum Glück war dies nicht der Fall. Sie kehrte als zufriedene Hörgeräteträgerin in meine Praxis zurück und war danach voll des Lobes. Ob ich das Lob verdient habe oder nicht, ist fraglich, aber für mich war dies ein klares Beispiel für die Vorteile eines höheren Technologielevels in gewissen Situationen.

Aber bedeutet ein höheres technisches Niveau immer einen glücklicheren Kunden? Interessanterweise gibt es unabhängige Studien, die der Ansicht, dass Premium-Technologie in der alltäglichen Praxis keine besseren Ergebnisse als Basistechnologie erzielt.1

Es sind sicher weitere Untersuchungen notwendig, um diese Diskrepanz zu erklären, aber ich denke, Big Data kann etwas Aufschluss aus einer anderen Perspektive geben. Kürzlich haben wir bei Phonak Daten von 500 teilnehmenden Hörakustikern analysiert, um die Tragezeiten für verschiedene Technologielevel zu vergleichen.

Anhand einer Stichprobe von fast 200.000 Anpassungen zeigten die Ergebnisse, dass die Tragezeit bei Premiumprodukten 1,4 Stunden pro Tag länger als bei der Basistechnologie ausfällt.

Wie wir diese Ergebnisse interpretieren? Was bedeutet eine längere Hördauer für Hörgeräteträger? Bedeutet es, dass diejenigen, die High-Tech-Hörgeräte tragen, zufriedener sind? Natürlich erfahren wir bei der Analyse von Big Data nicht das „Warum“, aber als Audiologe bin ich der Überzeugung, dass mehr Stunden täglichen Hörens ein sehr gutes Ergebnis sind.

Wie in meinem ersten Blogbeitrag in dieser Reihe erwähnt, ist hier die Infografik, die unsere Ergebnisse veranschaulicht.

 

 

1Cox, R., Johnson, J., & Xu, J. (2016). Impact of hearing aid technology on outcomes in daily life, I: The patient’s perspective. Ear & Hearing, 37(4), 224-237.