Geisteswissenschaft und dann? – Chancen in der Hörakustik

Hat man erst einmal das Abitur in der Tasche, steht man vor der Qual der Wahl: Ausbildung? Studieren? Und wenn ja, was? – Mein Weg in die Hörakustik.

Das Abitur ist geschafft, alle Wege stehen einem offen – Doch wer weiß schon als Teenager womit er seine nächsten Lebensjahre verbringen möchte. Wie viele andere in dieser Situation folgte ich dem Ruf der Geisteswissenschaften, um mich in einen Wunschstudiengang einzuschreiben und die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten offen zu halten. Diese Vielfalt hat aber auch immer zwei Seiten der Medaille.

Geduldsspiel

Wer sich für ein geisteswissenschaftliches Studium entscheidet, weiß von vornherein, dass der Berufseinstieg kein Leichtes wird. Eine praxisorientierte Fächerkombination mit der Belegung berufsfeldorientierter Wahlbereiche wird angeraten, ist aber häufig nicht der Schlüssel zum Erfolg. Zu viele Absolventen schwärmen auf zu wenige Stellen aus und die, die welche ergattern, halten sich meist mit zeitlich begrenzten Projektstellen über Wasser. Kreativität und vor allem ein langer Atem sind gefragt, denn es existieren kaum Stellenanzeigen, die explizit Religionswissenschaftler, Anglisten oder aber Historiker suchen.

Sackgasse Vielfalt

Erschwerend kommt hinzu, dass die breite Aufstellung eines geisteswissenschaftlichen Studiums nicht immer den nötigen Biss liefert, um sich innerhalb des hohen Konkurrenzdrucks auf dem Arbeitsmarkt behaupten zu können. Häufig blühen einem unterbezahlte Jobs im Vergleich zu Prüflingen aus anderen Studiengängen und nur eine Handvoll Absolventen geht einer Tätigkeit nach, die ihren eigentlichen Studieninhalten entspricht. Im Dilemma zwischen der Überqualifizierung für die freie Wirtschaft und der Unterqualifizierung, um eine akademische Laufbahn einschlagen zu können, fand ich mich am Ende meiner Bemühungen nicht im Job meiner Träume sondern der Akademikerberatung der Arbeitsagentur wieder.

Beredsamkeit und handwerkliches Geschick

Hier kommt nun die Hörakustik ins Spiel. Geisteswissenschaftliche Absolventen bringen in der Regel ein hohes Maß an Kommunikationsfreudigkeit und das nötige Fingerspitzengefühl mit, um sich in den Kunden und seine Bedürfnisse hineinzuversetzen. Eine schnelle Auffassungsgabe und die Fähigkeit Zusammenhänge zu erkennen, erleichtern die Einarbeitung in fachtheoretische Kenntnisse und sind in der Auswertung audiometrischer und psychoakustischer Testverfahren von Vorteil. Im Gegensatz dazu bietet die Branche einen vielseitigen Beruf, der eine rasante technologische Entwicklung, medizinisch-technisches Know-how, und handwerkliches Geschick miteinander verbindet. Psychologische Kompetenzen spielen dabei genauso eine Rolle und machen deutlich, dass der Hörakustiker aufgrund stetig steigender Hörschädigungen, bedingt durch Umweltlärm und demografischen Wandel, ein zukunftsweisender Beruf ist, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht.

Einstieg in die Hörakustik

Neugierig? Der Beruf des Hörakustikers ist ein dreijähriger, anerkannter Beruf der Handwerkskammern. Je nach Vorbildung sind auch der Quereinstieg oder eine Verkürzung der Lehrdauer möglich. Der Berufsschulunterricht findet in der Regel dreimal im Jahr für vier bis fünf Wochen geblockt an der bundesoffenen Landesberufsschule für Hörakustik in Lübeck statt und finalisiert sich mit dem Abschluss des Gesellens. Danach gibt es vielfältige Möglichkeiten, um weiterzumachen. Sei es mit der Prüfung zum Hörakustikmeister, um in Führungspositionen oder die Selbstständigkeit zu gelangen, oder einem Studium der Hörakustik, das Perspektiven in der Automobilbranche, HNO-Kliniken oder aber der Bau- und Raumakustik eröffnet. Spezialisierungen zum Pädakustiker, Audiotherapeuten oder CI-Akustiker stehen dabei genauso hoch im Kurs wie die Welt der industriellen Hersteller von Hörsystemen.

Vielfalt und Flexibilität haben immer zwei Seiten der Medaille: Unzählige Möglichkeiten zum einen und kontinuierliches Umdenken und Anpassfähigkeit zum anderen. Als Hörakustikerin habe ich mich für einen Beruf entschieden, der den Menschen und die Steigerung seiner Lebensqualität zum Dreh- und Angelpunkt meines Handelns macht. Denn die Verbesserung des Hörens resultiert langfristig in einem sicheren Auftreten und birgt mehr Leichtigkeit. Das ist etwas sehr Wertvolles. Mache dir also die Vielfalt zu Nutze, bleibe mutig bei der Wahl deiner Perspektiven und lass den Weg dein Ziel sein.