Fleißige Helferlein

Mit speziellen Apps können Kunden Informationen zu ihrem Alltag mit Hörgeräten erfassen – und diese ohne großen Aufwand und in Echtzeit an ihren Hörakustiker übermitteln.

Kundenzentriert denken und handeln ist das A und O – aber was bedeutet das eigentlich genau? Ganz einfach: Man ermutigt den Kunden dazu, aktiv zu seiner optimalen Hörgeräteversorgung beizutragen – denn er allein ist der Experte darin, wie er seinen Hörverlust erlebt. Hörakustiker und Kunden teilen sich die Verantwortung hinsichtlich Zielsetzung und Entscheidungen. Dafür ist ein gutes Arbeits- und Vertrauensverhältnis nötig, die sogenannte „therapeutische Allianz“.

Eine kundenorientierte Versorgung geht über die rein körperlichen Symptome hinaus und bezieht die ganze Person mit ein: auch psychologische, soziale und andere Faktoren sind von zentraler Bedeutung. Aber wie finden Sie als Hörakustiker etwas über diese externen Einflussfaktoren heraus, die im Leben Ihrer Kunden eine Rolle spielen – und damit auch das Ergebnis der Versorgung beeinflussen?

Selbsteinschätzung – eine Herausforderung

Instrumente zur Selbsteinschätzung wie bestehende Fragebögen geben Hörakustikern einen Einblick, wie sich ein Hörverlust auf einen Menschen auswirkt und wie stark er dadurch beeinträchtigt wird. Auch zur Messung der Zufriedenheit nach der Hörgeräteversorgung werden sie häufig eingesetzt. Nun leisten diese Fragebögen durchaus gute Arbeit – allerdings fragen sie oft auch Situationen ab, die für die befragte Person kaum relevant sind.

Diese Art von Selbsteinschätzung fordert dem Kunden einiges ab: er soll sich an spezifische Hörsituationen in der Vergangenheit zurückerinnern und diese pauschal bewerten. Offene Fragebögen, die sich individuell anpassen lassen, erwecken oft den Eindruck, dass allein besseres Hören oder Sprachverstehen die Ziele der Hörgeräteversorgung seien. Dabei sind andere Faktoren wie eine geringere Höranstrengung auch wichtige Ziele bei der Hörgeräteversorgung.

Kurz gesagt: Die in der Audiologie verwendeten Fragebögen sind gut, um einen allgemeinen ersten Eindruck zu erhalten – sie spiegeln den Alltag des Individuums allerdings meist nur unzureichend wider.

Echtzeit-Erfassung von Hörerfahrungen

Im Hinblick auf die gerade angesprochene Schwäche der retrospektiven, pauschalisierenden Selbsteinschätzung  nutzen einige audiologische Studien nun den Ansatz der Echtzeit-Erfassung von Hörerfahrungen, um in Alltagssituationen individuell Erlebtes zu erfassen. Indem Menschen in Echtzeit Fragen beantworten, können Informationen über konkrete Erfahrungen eingeholt werden, genau während Menschen diese persönlich erleben. Für solche Moment-Erfassungen müssen dank der Smartphones heute nicht mehr Fragebögen oder Tagebücher benutzt werden. Die stetig fortschreitende Verbreitung und Akzeptanz von Smartphones erhöht die Zuverlässigkeit der Methode. Inzwischen gibt es unzählige Gesundheits-Apps (mHealth), die so programmiert sind, dass sie Personen anhand von zeit- oder ereignisbasierten Auslösern darauf aufmerksam machen, Fragen zu beantworten –  dies ist auf einem Smartphone schnell und ohne großen zusätzlichen Aufwand möglich.

Echtzeit-Erfassung in der audiologischen Forschung

Auch in der Hörforschung wurde die Echtzeit-Erfassung von Hörerfahrungen bereits angewendet, etwa bei Untersuchungen zu TinnitusHörproblemen und der Verwendung von Hörgeräten. Der Ansatz hat sich als zuverlässiges Forschungsinstrument bei Erwachsenen mit Hörverlust erwiesen. Dank der Echtzeiterfassung können Personen ihre Hörumgebung und -situation beschreiben, zugleich eine Selbsteinschätzung ihrer Hörleistung über das Sprachverständnis hinaus abgeben und Gefühlszustände aufzeichnen.

Eine Pilotstudie, die mit Echtzeit-Erfassung arbeitete, fand kürzlich heraus, dass ältere Erwachsene mit einem leichten Hörverlust nach kurzem Tragen von Hörgeräten ein besseres Sprachverständnis und eine verminderte Höranstrengung vorweisen konnten. Auch fühlten sich die Testpersonen beim Tragen der Hörgeräte durch ihren Hörverlust weniger beeinträchtigt und hatten mehr Spaß am Hören. Die Studie brachte außerdem spannende Einzelergebnisse: Ein Teilnehmer erlebte ein etwas besseres Sprachverständnis und dazu deutlich weniger negative Gefühle gegenüber seinem Hörverlust, wenn er die Hörgeräte trug. Diese zweite positive Emotion wäre bei einer Selbsteinschätzung durch herkömmliche Tools wie einem Fragebogen vor und nach der Erstanpassung womöglich „verloren“ gegangen.

Die Zukunft ist jetzt

Die Echtzeit-Erfassung von Hörerfahrungen eignet sich nicht nur zu Forschungszwecken, sie hat sich mittlerweile sogar in der eAudiology-Versorgung etabliert: Dank spezieller Anwendungen wie der myPhonak App können Hörakustiker die erfassten Höreindrücke ihrer Kunden per Remote Support sichten und so einen Einblick in deren Echtzeit-Hörperformance bekommen. Die Kunden können ihre Hörgeräteversorgung so aktiv mitbestimmen, während sie Hörakustikern einen tieferen Einblick in den Verlauf der Hörgeräteversorgung und deren Ergebnisse gewähren. Darüber hinaus ermöglichen Echtzeit-Erfassungs-Tools Hörakustikern, auch zwischen Terminen mit ihren Kunden in Kontakt zu bleiben.

 

In den nächsten Wochen wird die Aufnahme eines kürzlich stattgefundenen Webinars mit Barbra Timmer auf Englisch zu diesem Thema über http://learning.phonakpro.com/ verfügbar sein. Halten Sie auch Ausschau nach dem Hashtag #eaudiologyphonak auf LinkedIn, Twitter und Facebook.