Analoges Herz & digitale Seele
Von goldenen Kabeln, warmen Klängen und der binär-codierten Verlustfreiheit
Was ist guter Klang?
Dies kann aus Musikersicht jeder relativ leicht beantworten. Denn wenn ein gewisser Klang zusagt, klingt es „gut“. Das beste Beispiel hierfür ist die Verzerrung einer E-Gitarre. Ursprünglich entstand dieser bis heute geliebte Sound daraus, dass ein Gitarrenverstärker bis zu seiner klanglichen Unkenntlichkeit übersteuert wurde.
Aus Hi-Fi Sicht (High Fidelity) ist „Guter Klang“ nur ein Synonym für eine möglichst hohe Klangtreue. Demnach zu urteilen soll in der gesamten Wiedergabekette keinerlei Verfärbung stattfinden, damit man einen „sauberen“ Klang beibehält.
Kabel spielen dabei eine sehr große Rolle, denn diese müssen nahezu verlustfrei das Audio Signal vom Verstärker an die Lautsprecher weitergeben. Rund um diese Kabelverbindung kursieren seit einer gefühlten Ewigkeit verschiedenste Mythen, wie der des „goldenen Kabels“. Diesem teureren güldenen Kabel werden allerhand optimale Eigenschaften der Klangübertragung zugesprochen. Tatsächlich hat die Vergoldung der Kontaktspitze keinerlei positiven Einfluss auf die Tonqualität. Gold ist an der Luft korrosionsbeständiger und würde somit auf die Jahre gesehen einen höheren Preis rechtfertigen.
Ein wahrer Klassiker der Märchenstunde ist der von Sagen umwobene warme Klang von Röhrenverstärkern und Schallplatten. Diese erleben wirklich andauernd ein emotionales Comeback, wenn es um die Wahrnehmung analog präsentierter Klänge geht. Dem Interpretations-Spielraum sind hier keine Grenze gesetzt, so wird der Klang von Audio-Enthusiasten vielfältig und kreativ beschrieben (warm, rund, lieblich, lebendig, weiblich, etc.).
Wenn ein Röhrenverstärker sich seinem Maximum nähert, so klingt das Verstärkungsverhältnis allmählich ab. Daraus resultiert eine leichte Kurve, die man als sogenanntes „Soft Clipping“ bezeichnet. Dieses wiederum führt zu einer leichten Verzerrung, die angenehm empfunden wird. Phonak führte bereits vor einigen Jahren eine sehr ähnliche Funktion in deren Power Geräten erfolgreich ein (BroadBandBooster).
Leichte Verzerrungen im Bassbereich treten ebenfalls bei Schallplatten auf, des Weiteren kann auf Vinyl gepresste Musik den Höhenpegel nur eingeschränkt darstellen. So kann das „schwarze Gold“ in der Regel Frequenzen bis maximal 12 kHz darstellen, dies gilt allerdings nur für die äußersten Rillen am Anfang. Analoger Klang ist somit allgemein dumpfer und verzerrter.
Analoge Tonträger erfreuen sich meiner Meinung nach so großer Beliebtheit, da sie mehr Bewusstsein für die Musik als solches schaffen. Seien wir mal ehrlich, eine Schallplatte aus dem gut sortierten Plattenregal zu nehmen, diese achtsam auf den Teller zu legen, gekonnt den Tonabnehmer mit einer Hand zum Anfang zu setzen, das Cover zu studieren während man das erste knistern der Nadel hört, besitzt eine von MP3 unerreichte Wertigkeit.
Dennoch sind die Vorteile der Digitalen Technik nicht von der Hand zu weisen. Dank ihr erhalten wir ein störungsfreies und reines Signal, welches in seiner Darstellung kaum Einbußen erfährt (Nyquist-Shannon-Abtasttheorem). Darüber hinaus lässt sich digital alles speichern und verlustfrei wiederherstellen.
Für manche audiophile Personen ändert das nichts an der Tatsache, dass sich „CD Qualität“ steril und kalt anhört. Umso spannender ist die Tatsache, dass es unzählige Programme und Funktionen für Musikproduzenten gibt, die den warm anmutenden Klang analoger Geräte bestmöglich nachstellen sollen. Man ergänzt somit das digitale Signal mit den liebgewonnenen Unzulänglichkeiten der Analogtechnik, um alle Emotionen beim Hörer zu triggern.
Ganz nach dem Motto:
„Liebe auf den ersten (zweiten & dritten) Klang“!
1Quelle: https://www.ccr-highend.de/images/product_images/info_images/kimber_kable_select_ks6068.jpg
2Quelle: Settembrini – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3267275
3Quelle: Hubert Berberich (HubiB) – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15175126