Zahnbehandlung, Bohrer und Dezibel: Gefahr für die Ohren oder nur ein Mythos?

Forschungsergebnisse zeigen, dass Zahnärzte einem höheren Risiko für lärmbedingten Hörverlust ausgesetzt sind. In der modernen Audiologie haben wir mehr Möglichkeiten als jemals zuvor, das Risiko abzuschätzen und Hörverlust vorzubeugen.

Während einem Besuch beim Zahnarzt, der mehrere Füllungen und einen unangenehm lauten Bohrer mit sich brachte, kam mir der Gedanke, zu Hause gleich mal die Zahlen zu Schwerhörigkeit unter Zahnärzten zu recherchieren. Während meines Praktikums habe ich Zahnärzte mit Ohrstöpseln ausgestattet, aber ich habe nie Literatur über die berufsspezifische Lärmbelastung gelesen. Zu meiner Überraschung fand ich nicht nur eine große Anzahl an Studien, sondern auch eine enorme Vielfalt an Ergebnissen. Während mehrere Studien gezeigt haben, dass einige gebräuchliche zahnärztliche Instrumente Lärm erzeugen, der über die sichere Expositionsgrenzwerte hinausgeht (Kadanakuppe, Bhat, Jyothi & Ramegowda 2011; Qsaibati & Ibrahim 2014), gibt es sehr unterschiedliche Einschätzungen, wenn es darum geht, ob Zahnärzte öfter an lärmbedingtem Hörverlust und Tinnitus leiden.

Eine Auswahl dieser Studien ist in Tabelle 1 zu sehen.

Tabelle 1. Auftreten von Hörverlust und Tinnitus bei Zahnärzten

Jahr Forscher ↑ Risiko von NIHL ↑ Tinnitusrisiko
2016 Alabdulwahhab et al Ja NICHT UNTERSUCHT
2016 Myers et al Nein JA
2014 Khaimook et al Nein NICHT UNTERSUCHT
2014 Willershausen et al. Ja NICHT UNTERUCHT
2013 Theodoroff et al Ja NICHT UNTERSUCHT
2012 Lopes et al. Ja NICHT UNTERSUCHT
1989 Lehto Nein NICHT UNTERSUCHT

Obwohl diese Ergebnisse nicht schlüssig sind, deuten die vorhandenen Beweise darauf hin, dass Zahnärzte einem erhöhten Risiko für Hörverlust ausgesetzt sind. Glücklicherweise ist ein lärmbedingter Hörverlust vermeidbar, und als Audiologen verfügen wir über die notwendigen Werkzeuge und Kenntnisse dafür. Im Folgenden möchte ich vier Schritte aufzeigen, mit denen wir Zahnärzte vor Hörverlust schützen können. Und diese Schritte können für praktisch jeden Patienten mit Bedenken zum Lärmpegel am Arbeitsplatz eingesetzt werden.

Schritt 1: Führen Sie eine umfassende Baseline-Diagnose  durch und denken Sie über das Standardaudiogramm hinaus. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich lärmbedingte Schwerhörigkeit häufig zuerst als Veränderung bei hochfrequenten audiometrischen Schwellenwerten (Mehrparvar et al., 2014) und otoakustischen Emissionen (Baradarnfar 2012) äußert. Während die Forschung geteilter Meinung ist, ob sich transitorisch evozierte otoakustische Emissionen oder distorsiv produzierte otoakustische Emissionen am besten zum Nachweis von „subklinischem“ lärmbedingtem Hörverlust eignen, werden DPOAEs in der Regel wegen ihrer Frequenzspezifität bevorzugt (Oeken & Müller 1995). Wenn Sie diagnostische DPOAEs zum Erkennen und Überwachen von lärmbedingtem Hörverlust auswerten, achten Sie besonders auf Frequenzen zwischen 2 kHz und 10 kHz und testen Sie mindestens fünf Frequenzen pro Oktave, um eine Rauschkerbe  zu vermeiden (Hall 2015).

Schritt 2: Messen Sie Arbeitsgeräusche in Echtzeit. Die meisten Smartphone-Schallpegelmesser-Apps sind von fragwürdiger Genauigkeit, aber das Nationale Büro für Arbeitsschutz (NIOSH) hat kürzlich eine einfach zu bedienende, hochpräzise Schallpegelmesser-App für iOS-Betriebssysteme herausgebracht. Mit dieser App können Ihre Kunden in Echtzeit Messungen am Arbeitsplatz machen und Ihnen die Ergebnisse direkt zusenden. Schildern Sie Ihren Kunden, dass sie das Mikrofon so nahe wie möglich am Ohr platzieren sollen, um eine möglichst genaue Darstellung des Geräuschpegels zu erzielen. Diese Messungen sind sehr nützlich bei der Bestimmung des Risikogrades und der erforderlichen Dämpfungsstärke für den Gehörschutz.

Schritt 3: Entwickeln Sie einen Plan für Lärmschutz und Lärmminderung. Arbeiten Sie eng mit Ihrem Kunden zusammen, um herauszufinden, welche Schutzart am besten für die Kunden geeignet ist. Verwenden Sie die am Arbeitsplatz aufgezeichneten Geräuschmessungen und wählen Sie ein Dämpfungsniveau, das die schädlichen Geräuschpegel reduziert und gleichzeitig die Kommunikation mit Mitarbeitern und Patienten weiter möglich macht. Schließlich ermutigen Sie Ihre Kunden, ihre zahnmedizinische Ausrüstung wie vom Hersteller empfohlen instand zu halten. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Rauschleistung um bis zu 10 dB reduziert werden kann, wenn die zahnärztliche Ausrüstung ordnungsgemäß instand gehalten wird.

Schritt 4: Erstellen Sie ein jährliches Überwachungsprotokoll. Die American Dental Association empfiehlt jährliche Hörtests für alle Zahnärzte, die regelmäßigem Berufslärm ausgesetzt sind. Diese Follow-ups sollten eine aktualisierte Anamnese sowie Informationen zur medizinischen Aufnahme, aktualisierte konventionelle audiometrische Schwellenwerte, Hochfrequenzaudiometrie und OAEs enthalten. Verwenden Sie frühere Tests, um klinisch signifikante Änderungen der Grenzwerte zu überwachen und zu beurteilen, ob Änderungen an am bestehenden Lärmschutz vorgenommen werden müssen.

Obwohl sich die Forschung in Bezug auf Zahnärzte und lärminduzierte Schwerhörigkeit nicht einig ist, können wir das Lärmbelastungsrisiko unserer Kunden mit der modernen audiologischen Ausrüstung gut bestimmen und entsprechende Empfehlungen für den Gehörschutz geben.

 

 

Mehr Informationen unter:

Clinician’s Guide to OAE Measurement: http://www.audiologyonline.com/articles/clinician-s-guide-to-oae-14981

NIOSH App: https://www.youtube.com/embed/ZUoeDlYOAIQ

 

 

 

Alabdulwahhab, B., Alduraiby, R., Ahmed, M., Albatli, L., Alhumain, M., Softah, N., & Saleh, S. (2016). Hearing loss and it’s association with occupational noise exposure among Saudi dentists: a cross-sectional study. BDJ Open, 2, 16006.

Baradarnfar, M.H., Karamifar, K., Mehrparvar, A.H., Mollasadeghi, A., Gharavi, M., Karimi, G., … Mostaghaci, M. (2012). Amplitude changes in otoacoustic emissions after exposure to industrial noise. Noise Health, 14(56), 28-31.

Kadanakuppe, S., Bhat, P., Jyothi, C., & Ramegowda, C. (2011). Assessment of noise levels of the equipments used in the dental teaching institution, Bangalore. Indian Journal of Dental Research, 22(3), 424-431.

Khaimook, W., Suksamae, P., Choosong, T., Chayarpham, S. & Tantisarasart, R. (2014). The prevalence of noise-induced occupational hearing loss in dentistry personnel. Workplace Health & Safety, 62(9), 357-360.

Lopes, A. C., de Melo, A. D. P., & Santos, C. C. (2012). A study of the high-frequency hearing thresholds of dentistry professionals. International Archives of Otorhinolaryngology, 16(2), 226–231.

Mehrparvar, A. H., Mirmohammadi, S. J., Davari, M. H., Mostaghaci, M., Mollasadeghi, A., Bahaloo, M., & Hashemi, S. H. (2014). Conventional Audiometry, Extended High-Frequency Audiometry, and DPOAE for Early Diagnosis of NIHL. Iranian Red Crescent Medical Journal, 16(1), e9628.

Messano, G. & Petti, S. (2012). General dental practitioners and hearing impairment. Journal of Dentistry, 40(10), 821-828.

Myers, J., John, A. B., Kimball, S., & Fruits, T. (2016). Prevalence of Tinnitus and Noise-induced Hearing Loss in Dentists. Noise & Health, 18(85), 347–354.

Oeken, I. & Müller, H. (1995). Distortion product otoacoustic emissions (DPOAE) in chronic noise-induced hearing loss- recommendations for expert assessment. Laryngorhinootologie, 74(8), 473-480.

Qsaibati, M. L., & Ibrahim, O. (2014). Noise levels of dental equipment used in dental college of Damascus University. Dental Research Journal, 11(6), 624–630.

Theodoroff, S. & Folmer, R. (2013). Hearing loss associated with long-term exposure to high-speed dental handpieces. General Dentistry, 63(3), 71-76.

Willershausen, B., Callaway, A., Wolf, T. G., Ehlers, V., Scholz, L., Wolf, D., & Letzel, S. (2014). Hearing assessment in dental practitioners and other academic professionals from an urban setting. Head & Face Medicine, 10, 1.

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