Wie die Dynamik des Gehirns bei Kindern mit Hörverlust variiert

Kann die funktionelle Bildgebung des Gehirns Aufschluss darüber geben, wie sich die Nutzung von Hörgeräten bei Kindern auf das Arbeitsgedächtnis auswirkt? Forscher am Boys Town National Research Hospital geben eine Antwort auf diese Frage.

Dank einer Reihe groß angelegter, erfolgreicher Studien mit schwerhörigen Kindern wissen wir viel über die Auswirkungen von Hörverlust auf die Entwicklung.

Aber es gibt noch wichtige Fragen zur Variabilität der Ergebnisse bei diesen Kindern zu beantworten.

Faktoren wie das Alter bei der Intervention, die Dauer der Hörgerätenutzung, die Qualität der Hörgeräteanpassung und die kognitive Fähigkeiten können Unterschiede zwischen den Kindern erklären. Wie diese verschiedenen Faktoren zusammenwirken und auf welchen physiologischen Grundlagen diese Prozesse stattfinden, ist jedoch nach wie vor eine offene Frage.

Unser Team am Boys Town National Research Hospital hat in einer kürzlich durchgeführten Studie untersucht,1,2 ob es Unterschiede in der Hirndynamik der Kinder gibt. Mithilfe von Neuroimaging haben wir untersucht:

  1. ob Kinder mit Hörverlust im Vergleich zu normalhörenden Kindern Unterschiede bei der Hirnaktivität im Arbeitsgedächtnis aufweisen;
  2. ob individuelle Unterschiede bei der Hörgerätenutzung in Beziehung zur Hirndynamik im Arbeitsgedächtnis stehen.

So funktioniert Neuroimaging

Mit Neuroimaging wird ermittelt, wann und wo kognitive oder sprachliche Prozesse im Gehirn ablaufen.  

Mit einer bestimmten Form des Neuroimaging, der Magnetoenzephalographie (MEG), können Ort und Umfang der neuronalen Aktivität im Kortex in jeder Millisekunde quantifiziert werden. So können wir sehen, wie sich die Hirnaktivität im Laufe der Zeit verändert. Bei einer Aufgabe für das Arbeitsgedächtnis werden z. B. Informationen in einem temporären Speicher kodiert und gespeichert, bis sie abgerufen werden.

Kodierung, Speicherung und Abruf sind zentrale Aufgaben des Arbeitsgedächtnisses, und jeder dieser Prozesse nutzt unterschiedliche Bereiche des Gehirns zu unterschiedlichen Zeiten. Mithilfe von MEG-Bildgebung können wir diese Prozesse des Arbeitsgedächtnisses messen.  

Auswirkungen von Hörverlust und Hörgerätenutzung auf die Hirndynamik bei der Verarbeitung im Arbeitsgedächtnis

Die Kinder führten während der MEG eine Aufgabe für das Arbeitsgedächtnis durch. Anschließend nutzten wir die MEG-Daten, um die neuronale Aktivität während der Kodierung und Speicherung durch das Arbeitsgedächtnis getrennt zu untersuchen.

Zunächst verglichen wir die Gehirnaktivität von schwerhörigen und normalhörenden Kindern gleichen Alters und haben Folgendes herausgefunden:

  • Schwerhörige und normalhörende Kinder zeigten bei der Aufgabe für das Arbeitsgedächtnis die gleichen Leistungen, ohne Unterschiede bei der Genauigkeit oder Reaktionszeit aufzuweisen.
  • Bei schwerhörigen Kindern war die Gehirnaktivität des Arbeitsgedächtnisses in jeder Phase signifikant erhöht. Dies deutet darauf hin, dass die Gehirne von Kindern mit Hörverlust bei Aufgaben für das Arbeitsgedächtnis „härter arbeiten“ als die ihrer normalhörenden Altersgenossen.

Auch wenn Kinder mit und ohne Hörverlust in einer Laborumgebung vielleicht keine Verhaltensunterschiede zeigen, können möglicherweise doch signifikant unterschiedliche Gehirnmechanismen die Leistung des Arbeitsgedächtnisses steuern.

Bei den schwerhörigen Kindern haben wir Folgendes festgestellt:

Eine stärkere Nutzung von Hörsystemen stand in signifikanten Zusammenhang mit einem „typischeren“ Muster der Gehirnaktivität des Arbeitsgedächtnisses, selbst bei Berücksichtigung des Grades des Hörverlusts.

Klinische Implikationen

Neuroimaging könnte erklären, warum wir bei Kindern mit Hörverlust unterschiedliche Ergebnisse sehen. Wir hoffen, dass Neuroimaging in Zukunft Informationen für individuelle Therapien bei schwerhörigen Kindern liefern kann.

Jedes Gehirn ist anders. Möglicherweise können wir die Ergebnisse für jedes einzelne Kind verbessern, wenn wir die Reaktion des Gehirns auf die Therapie messen.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in aktuellen Veröffentlichungen in NeuroImage: Clinical  und Ear and Hearing.

Referenzen:

  1. Heinrichs-Graham, E., Walker, E.A., Eastman, J.A., Frenzel, M.R., Joe, T.R., McCreery, R.W.  (2021). The impact of mild-to-severe hearing loss on the neural dynamics serving verbal working memory processing in children. Neuroimage Clin; 30:102647.
  2. Heinrichs-Graham, E., Walker, E.A., Eastman, J.A., Frenzel, M.R., McCreery, R.W. (2021). Amount of hearing aid use impacts neural oscillatory dynamics underlying verbal working memory processing in children with hearing loss. Ear Hear; 20.