Richtmikrofone: Gehen wir in die richtige Richtung?

Wie sich die Mikrofonausrichtung auf die Sprachverständlichkeit im Störschall auswirken kann

Was wir bisher über Richtmikrofone wissen

Für Menschen mit Hörverlust stellt das Verstehen von Sprache in einer komplexen Hörumgebung (Restaurant, gesellschaftliche Veranstaltung, Auto etc.) eine der größten Herausforderungen dar. Richtmikrofone ermöglichen eine signifikant bessere Sprachverständlichkeit bei Hintergrundgeräuschen.

Als Hörakustiker wissen wir, dass Richtmikrofone von vorn kommende Signale fokussieren, während sie von hinten kommende Signale dämpfen. Richtmikrofone können im Wesentlichen auf zwei Arten in Hörgeräten eingesetzt werden: Entweder in Form von zwei Mikrofonen in einem Hörgerät (z.B. Phonak UltraZoom) oder in einem Netzwerk aus zwei Hörgeräten und vier Mikrofonen, um einen engeren Fokus zu bilden (z.B. Phonak StereoZoom). Die meisten Richtmikrofonsysteme bieten im Schnitt eine Verbesserung des Signal-Rausch-Abstandes (Signal-to-noise-ratio; SNR) um vier bis fünf dB, Systeme mit noch engerem Fokus eine noch stärkere Dämpfung.

Heute sind Richtmikrofone neben Wireless-Mikrofonen, wie FM- und Roger-Systemen, der Standard zur Verbesserung der Sprachverständlichkeit im Störgeräusch. Gleichzeitig weisen Richtmikrofone jedoch auch ihre ganz eigenen Schwierigkeiten auf.

Was wir bisher noch nicht ausreichend berücksichtigt haben

Von der Mikrofonpositionierung, oder anders gesagt, vom Neigungswinkel eines Hörgerätemikrofons hängt es wesentlich ab, ob der SNR verbessert werden kann. Daher ist dies ein Aspekt, den Hersteller bei der Hörgeräteentwicklung berücksichtigen. Der Neigungswinkel eines Mikrofons ist aber auch davon abhängig, in welchem Winkel das Hörgerät am individuellen Ohr platziert wird, wie in Abbildung 1 zu sehen ist.

Figure 1. Distribution of tilt angle for BTE and RIC hearing aid styles.

 

Warum ist das wichtig?

Ist ein Hörgerät nicht richtig angepasst, kann das die Richtwirkung der Mikrofone beeinflussen. Wie kommt das? Eine Änderung des Neigungswinkels wirkt sich direkt auf den Direktivitätsindex (DI) aus, einer direktionalen Kenngröße, die angibt, wie gut der Beamformer den Schall dämpft, der aus Nichtzielrichtungen kommt. Der DI-Wert korreliert mit dem Signal-Rausch-Abstand (SNR) in diffusem Störschall (z.B. im Restaurant), sodass sich eine Änderung des Neigungswinkels auf die Sprachverständlichkeit im diffusen Störschall auswirken kann.

Welche Faktoren wirken sich auf den Neigungswinkel aus? Die Kopfposition des Hörgeräteträgers muss berücksichtigt werden. Möglicherweise passen die Mikrofone nicht optimal zu den Ohren des Hörgeräteträgers. Zum Beispiel, weil der Kunde ein von der Norm abweichendes Außenohr hat, aufgrund einer Kollagenstörung oder eines syndromischen Hörverlusts, verursacht durch das Down-Syndrom oder das Treacher-Collins-Syndrom oder aufgrund einer Erkrankung, die die Haltung beeinträchtigt. Zudem kann auch die falsche Länge des Schallschlauchs bzw. des externen Hörers zu einer falschen Mikrofonposition führen.

Was können wir tun?

Wie können wir den Neigungswinkel ändern? Um eine optimale Mikrofonposition sicherzustellen, sollten stets die Messwerkzeuge und die Messregeln des jeweiligen Herstellers angewandt werden. In Abbildung 2 ist die richtige Hörerlänge in Bezug auf die horizontale Ebene dargestellt.

 

Abbildung 2. Unterschiede bei der Mikrofonorientierung in einem Ohr, das einen Hörer der Größe 1 benötigt. Links: Hörer ist zu kurz (Größe 0); Mitte: Richtige Hörerlänge (Größe 1); Rechts: Hörer ist zu lang (Größe 2); Linie: Horizontalebene

Was ist, wenn der Kunde eine Zwischenlänge benötigt? Manchmal kann es sein, dass der Kunde eine Zwischenlänge benötigt, weil die kleinere Größe zu klein ist und Beschwerden verursacht und der größere Hörer zu lang ist, sodass es Probleme mit dem Halt geben kann. In diesem Fall kann ein maßgefertigtes Ohrpassstück mit  integriertem Hörer (z.B. Phonak cShell) die richtige Lösung sein. Ein integrierter Hörer ermöglicht eine optimale Platzierung im Gehörgang, da sich die Form des Hörers, anders als bei einem Dome, an die Form des individuellen Gehörgangs anpasst.

Was ist noch zu empfehlen? Klären Sie Ihre Kunden und deren Familien und Angehörigen darüber auf, wie sie am besten von der Richtmikrofontechnologie profitieren können. Zeigen Sie ihnen, in welcher Position der Patient am besten hört (z.B. Störschall hinter dem Kunden und Nutzsignal direkt vor ihm).

Vergessen Sie nicht, dass wir als Hörakustiker unseren Kunden das bestmögliche Hören bieten möchten. Zu diesem Zweck müssen wir über aktuelle technologische Entwicklungen und Anpassungsmethoden informiert sein und unsere Kunden befähigen, sich selbst helfen zu können.