Das Ufo
Wenn schwierige Gesprächssituationen wieder hörbar werden.
„Ist das eine Kamera?“ fragte der Kellner bei der Weihnachtsfeier meiner Arbeitsstelle. „Nein, es ist ein Ufo“ erwiderte ich und alles lachte. Das tat mir nun wieder leid, dass er für seine Frage ausgelacht wurde, also erklärte ich ihm sachlich, dass es für mich zum Hören ist. Der Kellner nahm es mit Humor. …wovon ich spreche, ich erzähle von dem Roger Select, eine digitale Übertragungsanlage für hörgeschädigte Menschen, die beim Verstehen in Störlärm unterstützt.
Ich durfte es bei der Feuersteintagung, einer Tagung der Hörgeschädigten Pädagogen, zum ersten mal ausprobieren. Die Hörsituation war extrem, es war der Festabend der Tagung. Es gab ein Buffet, es gab einen DJ, der den ganzen Abend mit seiner Musik begleitete und das ganze fand in einem Speisesaal statt. Da können Sie sich vorstellen, wie hoch der Lärmpegel mit dem Geschirrgeklapper, den Essgeräuschen, den vielen weinseligen (nicht vom Weinen, sondern vom Wein trinken) Gespräche und der noch übertönenden Musik war. …ja sehr extrem, selbst die Hörenden fühlten sich schwerhörig. Mitten drin auf dem Tisch stand das Ufo. Ich konnte zum ersten Mal Unterhaltungen folgen und saß nicht lächelnd nickend daneben, weil es mir zu anstrengend war. Teilweise wurde sogar ich gefragt, „was hat sie gesagt“ und ab und zu konnte ich es auch dolmetschen und war klar im Vorteil. Bis ich zu dem Ergebnis kam, musste ich allerdings ein bisschen an den Einstellungen ausprobieren. Ich stellte fest, dass das Mischungsverhältnis der Lauscher bezüglich hören über Lauscher und Ufo entscheidend war. Als ich auch teilweise über die Lauscher hörte, in meinem Fall die CI´s, verstand ich nicht so gut und es war auch ziemlich anstrengend. Erst als ich die Mischung, nur über das Ufo hören, einstellte, war es richtig für mich. Natürlich fällt dann die Lokalisation weg. Da helfen die Augen ;-). Ich bin sowieso durch meine Hörschädigung ein Weitwinkelgucker. Ich kann nur jedem empfehlen seine eigene Einstellung rauszufinden, indem er ein bisschen mit dem Gerät und der Einstellung der Lauscher, zum Beispiel dem Hörgerät, spielt.
Dankeswerterweise durfte ich das Roger Select auch bei der Arbeit ausprobieren. Es ist einfach toll, nicht nur bei Teamsitzungen, in dem der Radius der beteiligten Personen dafür stimmen muss. Natürlich ist man auch da noch auf strukturierte Gesprächsführung angewiesen, besonders dann, wenn man noch Protokoll schreiben soll. Es gibt auch noch andere Gesprächssituationen im beruflichen Alltag in denen ich es testete. In der Runde mit den Jugendlichen, im Hintergrund der Fernseher und wir am Tisch in der Unterhaltung oder beim Gesellschaftsspiel. Es lief besser als sonst. Sonst hatte ich sehr viel vom Mund abgelesen, das brauchte ich nicht mehr und es wurde wesentlich entspannter für mich. Auch konnte ich Gespräche untereinander mehr verstehen.
Natürlich habe ich das Ufo auch privat ausprobiert, bei meinen Spieleabenden in der Kneipe. Auch hier tauchte die Frage auf, was dies für ein Teil ist und ich erklärte es den „Hörenden“. Ich schlug das Spiel Activity vor. Was für eine Herausforderung, schließlich musste man in dem Spiel die Antworten der eigenen Mannschaft verstehen oder die Umschreibungen der Wörter. Ich sah die konzentrierten Gesichter meiner Mitspieler. Sie waren in derselben Situation wie ich sonst. Ich indes schaltete den Roger Select in die Richtung in der ich hören wollte. Am Schluss meinte eine Mitspielerin zu mir: „Das ist doch toll, dass es so etwas gibt.“ Und ich antwortete ihr: „Ich hätte dieses Spiel ohne dieses UFO nicht spielen können. Und überhaupt habe ich sonst auch nie etwas von eurer Unterhaltungen mitbekommen.“ Sie schaute mich erstaunt an. Da sieht man mal wieder, man kann noch so viel erklären.
Jetzt habe ich das Roger Select mit Hilfe des IFD bekommen. Als ich es beim Akustiker abholte, erklärte ich, dass ich mir noch ein kleines Stativ holen würde, damit das Ufo mehr in der Höhe der Sprecher ist. Ich bekam es einfach so geschenkt, weil sie eins übrig hatten. Danke dafür.
Von der Firma Phonak wünsche ich mir eine kleine Drohne, damit ich auch in den anderen Ecken lauschen kann. …nein, das war ein Scherz, die Menschen brauchen ihre Psychohygiene und die will ich ehrlich gesagt nicht verstehen. Außerdem würde es wahrscheinlich nicht gehen, weil das Drohnengeräusch zu laut ist.
Ich kann der Firma Phonak nur danken, dass sie ihre Technik immer weiter entwickeln und für die hörgeschädigten Menschen diese Erleichterungen auf den Markt bringen.